Ziel

Durch das „Training on the Job“ bzw. das projektbezogene Lernen erhalten Sie valide, verwertbare Daten und Ergebnisse aus Ihrer DIY-Marktforschung.

Herausforderung DIY-Marktforschung

Marktforschungsprojekte, die im Do-it-yourself-Modus abgewickelt werden (DIY-Marktforschung), werden mehr und mehr. Das liegt vor allem in der rasanten Entwicklung der Angebote für die Datenerhebung und -analyse. Zum Teil bieten sie umfangreiche Funktionen und das - zumindest in den Basisversionen - kostenlos. Alles in allem ist es positiv zu sehen, wenn die Gruppe derer, die sich aktiv mit Marktforschung auseinandersetzen, größer wird. Allerdings gehen damit bei ungenügendem Marktforschungswissen nicht wenige Herausforderungen - um nicht zu sagen Probleme - einher. Gar nicht so selten zeigen sich inhaltlich wenig sinnvolle Umfragen, schlecht gemachte Fragebögen, willkürlich gezogene Stichproben (zumindest solche mit einem gravierenden Auswahlbias) und schlecht oder gar falsch analysierte Daten.

Coaching-Angebot

Weil sich einerseits diese Beispiele häufen und andererseits immer mehr Interessierte Unterstützung bei ihren DIY-Projekten suchen, gibt es von Kondeor jetzt ein umfassendes Coaching-Angebot. Dieses ist an der Schnittstelle unserer bisherigen Geschäftsfelder, der Auftragsmarktforschung und der akademischen Marktforschungsausbildung, angesiedelt und fügt sich daher perfekt in unser Portfolio ein. Abgedeckt werden damit alle grundlegenden Bereiche der quantitativen Marktforschung. Sehr häufig geht es also um den Fragebogen, die Auswahl der Befragten, die Datenaufbereitung und die Datenanalyse. Zentral ist eine inhaltlich und zeitlich flexible Gestaltung, richtet sich das Coaching - unterstützt durch unsere Online-Marktforschungskurse KE-Learning - doch nach Ihren jeweils gerade aktuellen Projektanforderungen.

Interesse?

Dann nehmen Sie jederzeit gerne mit mir Kontakt auf:

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KE-LEARNING ONLINE-KURSE ZUR MARKTFORSCHUNG

Mehr
Bild von Artem Podrez (Pexels)

„Blog“

Dem Wunsch, wiederholt zu beobachtende und in den Coachings beispielhaft angeführte Herausforderungen der DIY-Marktforschung zu verschriftlichen (natürlich anonymisiert, verfremdet und zum Teil zugespitzt!), wird mit dieser ähnlich einem Blog gestalteten Seite entsprochen. In loser Folge und nicht einer vorgegebenen Reihenfolge folgend werden hier immer wieder neue Beiträge erscheinen.

 

Beiträge

Datenerhebung

Stichprobe - Auswahl und Anzahl der Befragten

Fragebogen (Beiträge geplant)

  • Zufriedenheit / Net Promoter Score (NPS; Beitrag geplant)

 

Datenanalyse und Ergebnisinterpretation

Datenkontrolle und Datenbereinigung

Quantitative Analyse

Berichtsgestaltung und Ergebniskommunikation

Auswahl der Befragten Einladung über verfügbare E-Mail-Adressen

Überlegen Sie, Ihre Mitarbeiterinnen, Lieferanten, Kundinnen oder Newsletter-Abonnenten zu befragen? Steht bei Ihnen, wieder einmal, eine Entscheidung an, die mit Informationen aus so einer Befragung leichter zu treffen wäre? Wenn Sie die E-Mail-Adressen Ihrer Befragungszielgruppe haben, dann ziehen Sie doch auch in Betracht, die Befragung selbst durchzuführen, oder?

Bias bei der Online-Befragung

Der Do-it-yourself-Marktforschung (DIY-Marktforschung) begegne ich in diesem Zusammenhang nämlich immer wieder. Ist es heutzutage doch ein Leichtes, einen Online-Fragebogen zusammenzustellen und eine Einladung an alle Personen auszusenden, von denen man gerne eine Antwort hätte. Es ist ja zu verlockend: Wenn ich alle Mitarbeiter, Lieferantinnen etc. anschreibe, dann muss das Ergebnis doch repräsentativ sein, also für die gewählte Befragungszielgruppe als Ganzes gelten! Aber weit gefehlt: Bei so einer Vorgangsweise ist zu beachten, dass es zu systematischen Verzerrungen kommen kann. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn Personen mit für die Befragung relevanten Eigenschaften nicht teilnehmen können oder wollen (Unit-Non-Response-Bias). Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet trifft das ebenfalls zu, wenn gerade die teilnehmen, die das Thema besonders betrifft bzw. die zu diesem Thema eine „spezielle Agenda verfolgen“. Tritt so ein Bias auf, dann kann es schwerwiegende Folgen haben, aus den Befragungsergebnissen Entscheidungen abzuleiten, die auch die Personen treffen, die ihre Meinung nicht zum Ausdruck gebracht haben.

Lösungsansätze

Was kann man nun dagegen tun? Allem voran muss der Datenerhebungstechnik und der Stichprobenauswahl besonderes Augenmerk geschenkt werden. In manchen Fällen kann es zum Beispiel besser sein, zufällig Ausgewählte persönlich oder telefonisch zu befragen, anstatt alle online. Wenn die Anonymität eine Rolle spielt, dann müssen die Interviews allerdings von außenstehenden Dritten geführt werden - zum Beispiel dann doch von einem darauf spezialisierten Institut. In anderen Fällen kann eine schriftliche Befragung einer zufälligen Stichprobe (paper & pencil) eine Option sein. Und wenn der Kreis der potentiell zu Befragenden, also die Grundgesamtheit, von Haus aus relativ klein ist, dann kann bei einem drohenden Auswahlbias (und damit einer Stichprobenverzerrung) überlegt werden, anstelle einer quantitativen Datenerhebung einen qualitativen Zugang zu wählen.
Hilfreich kann sein, mittels des Fragebogens Eckdaten zu erheben, anhand derer man überprüfen kann, ob die Stichprobe (die ausgefüllten Fragebögen) der Grundgesamtheit entspricht. Dies ist leider jedoch sehr häufig nicht möglich, nämlich dann, wenn die Merkmale, die den Bias auslösen, für die Gesamtgruppe der zu Befragenden nicht bekannt sind (würde man sonst die Befragung brauchen?). Sollte die Aufnahme dieser Eckdaten in den Fragebogen doch möglich sein, dann können eventuell vorliegende Verzerrungen der Stichprobe durch eine nachträgliche Datengewichtung korrigiert werden.

 

Einfach zum Nachdenken

Was gefällt Ihnen (abgesehen von möglichen Compliance-Konflikten) aus methodischer Sicht an der Stichprobenauswahl bei dem folgenden Beispiel einer DIY-Marktforschung nicht?

Eine Hotelkette der gehobenen Kategorie hat für seine Businesskunden einen besonderen Service eingeführt. Nun will man von den Top-Businesskunden wissen, ob der neue Service beim letzten Aufenthalt wahrgenommen wurde und wenn ja, wie er beurteilt wird. Da zu dieser Befragungszielgruppe nahezu vollständig Firmen-E-Mail-Adressen vorliegen (häufig office@..., info@..., sales@... etc.), entscheidet man sich für eine DIY-Online-Befragung. In der Einladungs-E-Mail wird gebeten, diese im Falle des Falles an die richtige Person, also den Hotelgast weiterzuleiten. Und es wird angekündigt, dass jede Person, die den Fragebogen ausfüllt, bei der nächsten Veranstaltung, die die Hotelkette für seine wichtigsten Kunden in ausgewählten Hotels im ganzen Land ausrichtet, zu einem besonderen Programmpunkt eingeladen wird. Die dazu notwendigen Kontaktdaten werden aus Gründen der Anonymität und des Datenschutzes unabhängig vom Fragebogen nach dem Ausfüllen in einem eigenen Kontaktformular erfasst.

 

Hinweise

  • Hinweise zum „Einfach zum Nachdenken“ finden Sie in unserem Download-Bereich.
  • Weitere Beispiele zur Stichprobenverzerrung im Allgemeinen und zum Unit-Non-Response-Bias im Speziellen finden Sie in den Beiträgen „Auswahl der Befragten. Offene Befragung“ sowie „Ergebniskommunikation. Titel als Aufmerksamkeitserreger“.
  • Tipp: Angemeldete Nutzer finden zu den Stichprobenauswahlverfahren und zu den Bias im KE-Learning-Kurs Erhebungsdesign 3: Stichprobe auswählen weiterführende Informationen.
  • Interaktion: Wir freuen uns sehr, wenn Sie zu diesem Thema bei unserem LinkedIn-Beitrag oder im TP-Blog mitdiskutieren!

 

Auswahl der Befragten Offene Befragung

Sie trauen sich die Fragebogenerstellung und die Datenanalyse zu - wie kommen Sie nun aber zu den ausgefüllten Fragebögen? Haben Sie sich in diesem Zusammenhang nicht auch schon gedacht „Dazu nutze ich einfach meine Kanäle, dann wird schon eine ausreichende Anzahl an Fragebögen zusammenkommen“?

Mangelnde Repräsentativität

Nicht selten leidet die Aussagekraft der im Rahmen der Do-it-yourself-Marktforschung (DIY-Marktforschung) erhobenen Daten unter dem Umstand, dass der Stichprobenziehung viel zu wenig Aufmerksamkeit und Mühe gewidmet wird. Ist es doch am einfachsten, auf den Fragebogen (CAWI - computer assisted web interview)  - je nach den vorhandenen Möglichkeiten - über die Homepage und/oder den Newsletter, E-Mails an verfügbare Kontaktadressen,  Social-Media-Postings, Werbemittel etc. hinzuweisen. Oder persönliche Interviews (CAPI - computer assisted personal interview bzw. PAPI - paper and pencil interview) an leicht erreichbaren und frequenzstarken Stellen zu führen. Die Hauptsorge gilt dann in der Regel der Anzahl der erreichbaren Interviews, nicht aber der Struktur der Antwortenden. Solcherart gezogene willkürliche Stichproben (convenience samples) bilden die behauptete Grundgesamtheit sehr häufig nicht ab; es kommt zu systematischen Verzerrungen. Man denke nur an die vielzitierte „Blase“ innerhalb der man sich zum Beispiel auf Social Media bewegt.

Abgrenzung der Grundgesamtheit

Schrauben Sie also die Erwartungen nicht zu hoch. Wenn es an Zeit und/oder Geld mangelt, aus einer eigentlich gewünschten Grundgesamtheit eine repräsentative Stichprobe zu ziehen, dann ist die naheliegendste Konsequenz, eine realistisch abzubildende Grundgesamtheit zu definieren:
· Wenn Sie zu den Konsumenten einer bestimmten (Ihrer) Produktkategorie Aussagen treffen wollen, dann reicht es in der Regel nicht, die Besucher Ihrer Homepage zu befragen. In diesem Fall müsste die Grundgesamtheit wesentlich enger gefasst und auf die Homepage-Besucher eingeschränkt werden.
· Bilden die Personen, die Sie an ausgewählten Befragungsorten antreffen, einen repräsentativen Querschnitt über alle Personen einer Region? Wenn nein, dann macht es keinen Sinn, Letztere als Grundgesamtheit zu definieren.
· Ihre Follower auf Social Media repräsentieren ziemlich sicher nicht die Bevölkerung Ihres Landes. Ehrlicherweise müssen sich die Ergebnisse der Befragung dann auch auf die Grundgesamtheit Ihrer Follower beziehen und nicht etwa - als mangels Repräsentativität unzulässige Verallgemeinerung! - auf die „Österreicherinnen und Österreicher ab 18 Jahren“.
· Etc.

 

Einfach zum Nachdenken

Was gefällt Ihnen aus methodischer Sicht an der Stichprobenauswahl bei dem folgenden Beispiel einer DIY-Marktforschung nicht?

Ein für seine Zielgruppe auflagenstarkes, eher hochpreisiges deutsches Nachrichtenmagazin mit den Schwerpunkten Politik und Wirtschaft führt eine DIY-Leserbefragung durch. Dazu wird in den vier Ausgaben eines Monats ein ganzseitiges Inserat geschalten, das den Link zur Umfrage, auch als QR-Code, enthält. Die Ergebnisse sollen in weiterer Folge eine Artikelserie illustrieren.
Der Fragebogen wird mehrere tausend Male angeklickt und in einem höheren vierstelligen Bereich auch fertig ausgefüllt. Im Bemühen um eine repräsentative Stichprobe wird daraus eine quotierte Nettostichprobe gezogen, die hinsichtlich der Anteile der Kriterien Alter, Geschlecht, höchste abgeschlossene Schulbildung und Wohnsitz (Ost-/Westdeutschland) der Gesamtbevölkerung ab 18 Jahren entspricht und die die Basis für die Datenanalyse bildet.
Dementsprechend werden die Analyseergebnisse dann auch als für die deutsche Bevölkerung gültig berichtet; etwa in der Form „Drei Viertel der Deutschen lehnen die beschriebenen Maßnahmen ab“.

 

Hinweise

  • Hinweise zum „Einfach zum Nachdenken“ finden Sie in unserem Download-Bereich.
  • Weitere Beispiele der unzulässigen Verallgemeinerung finden Sie in den Beiträgen „Ergebniskommunikation. Unzulässige Verallgemeinerung“ und „Simpsons Paradoxon" (Ergebnisinterpretation). Zur Stichprobenverzerrung im Allgemeinen und zum Unit-Non-Response-Bias im Speziellen siehe auch die Beiträge „Auswahl der Befragten. Einladung über verfügbare E-Mail-Adressen“ sowie „Ergebniskommunikation. Titel als Aufmerksmankeitserreger“.
  • Tipp: Angemeldete Nutzer finden zu den Stichprobenauswahlverfahren und zur Repräsentativität im KE-Learning-Kurs Erhebungsdesign 3: Stichprobe auswählen weiterführende Informationen.
  • Interaktion: Wir freuen uns sehr, wenn Sie zu diesem Thema bei unserem LinkedIn-Beitrag mitdiskutieren!

 

Datenkontrolle/-bereinigung DIY-CAWI-Datensatz

Kennen Sie die Versuchung, einfach mal schnell einen Blick in die Daten zu werfen - insbesondere dann, wenn die Umfrageergebnisse die Grundlage für eine schon dringend zu treffende Entscheidung bilden sollen?

„Garbage in, garbage out“ (GIGO)

Ein großer Vorteil der Do-it-yourself-Marktforschung (DIY-Marktforschung) ist, dass Ihnen die Rohdaten einer Online-Befragung (CAWI - computer assisted web interview) sofort nach dem Abschluss der Datenerhebung - oder auch schon zwischendurch - zur Verfügung stehen. Die meisten Online-Umfrageprogramme bieten einfach handzuhabende Möglichkeiten des Datenexports, erlauben einen Blick auf die einzelnen ausgefüllten Fragebögen oder zeigen sogar Online-Dashboards mit den aktuell vorliegenden aggregierten, deskriptiven Ergebnissen. Da ist die Versuchung groß, sich nicht lange mit der zeitintensiven (!) Datenkontrolle sowie Datenbereinigung aufzuhalten und rasch mit ersten Ergebnissen aufzuwarten. Das ist aber keine gute Idee! Was, wenn jemandem beim Ausfüllen des Fragebogens ein offensichtlicher Fehler unterlaufen ist? Oder wenn der Datensatz gar komplette Fake- oder von künstlicher Intelligenz produzierte Fragebögen enthält (ja, das gibt es!)? Oder wenn beim Programmieren des Fragebogens etwas schiefgegangen ist? Oder wenn das Umfrageprogramm unterschiedliche Werte für fehlende Angaben abspeichert und natürlich auch mitexportiert?

Datenkontrolle und Datenbereinigung

An einer konzentrierten Datenkontrolle und -bereinigung führt also kein Weg vorbei. Nicht umsonst nennt man die Daten vor diesem Bearbeitungsschritt „Rohdaten“. Auf der Ebene der einzelnen erhobenen Informationen (Variablen) bekommen Sie mit Häufigkeitsauszählungen einen ersten Überblick über die Datenqualität. So sehen Sie gleich, ob hier eigentlich „unmögliche“ Einträge vorliegen. Diese können Sie dann als fehlende Werte (user-defined missing value) kennzeichnen oder aus dem Datensatz löschen (system missing value), damit sie bei der Analyse unberücksichtigt bleiben. Durch ein geschicktes Sortieren des Datensatzes und/oder durch entsprechende Analysen (zum Beispiel Kreuztabellen) können Fehler in der Programmierung (wenn zum Beispiel Einträge von Personen enthalten sind, die diese Frage gar nicht hätten bekommen sollen) oder unplausible Angaben sichtbar gemacht werden. Auch in diesen Fällen sollten die fehlerhaften Einträge aus der Analyse ausgeschlossen werden - im Extremfall sogar, indem ganze Fragebögen gelöscht werden.

 

Einfach zum Nachdenken

Was könnte eine Ursache für das folgende, bei der Ergebnissen der Datenanalyse einer DIY-Marktforschung zu beobachtende „Phänomen“ sein?

Ein Einzelhändler befragt 800 zufällig ausgewählte Kundinnen und Kunden online (CAWI) dazu, ob sie auch nach dem Auslaufen der Corona-Maßnahmen Interesse an seinem Click & Collect - Angebot haben. Eine Analyse zeigt, dass diejenigen, die angeben „Ja, das Angebot ist interessant für mich“, signifikant älter sind (77 Jahre) als jene, die ankreuzen „Nein, das Angebot ist für mich nicht interessant“ (49 Jahre). Das passt einerseits zu einer der für das Projekt zentralen Hypothesen des Einzelhändlers, dass die Interessenten älter sein könnten. Andererseits erscheint das Durchschnittsalter der Interessierten doch sehr hoch - es gibt ja auch die Hypothese, dass das Interesse mit der Internetkompetenz zusammenhängen könnte.
Nach einigem Überlegen, wie dieses auffällige Ergebnis in der Gestaltung des Click & Collect - Angebotes berücksichtigt werden könnte, werden doch noch weitere Analysen durchgeführt. Hier ist dann zu sehen, dass die Männer deutlich älter sind als die Frauen, dass eine Bildungsgruppe (die Maturanten) signifikant älter ist als die anderen, dass die Kunden der Filiale D signifikant älter sind als die der anderen Filialen usw.

 

Hinweise

 

Simpsons Paradoxon Teil- vs. Gesamtergebnisse

Ist es Ihnen bei der Do-it-yourself-Marktforschung (DIY-Marktforschung) auch schon „passiert“, dass die Ergebnisse von Teilstichproben nicht zur Gesamtanalyse passen? Im Extremfall, dass sich die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sogar widersprechen? Und haben Sie dann stundenlang - vergebens - nach dem Fehler in der Datenanalyse oder in den Daten gesucht?

Zum besseren Verständnis ein konkretes Beispiel dazu

Ein Autohersteller verkauft im Bundesland Salzburg und in den angrenzenden Regionen in Oberösterreich und Bayern einen elektrisch betriebenen Pick-up mit entweder geschlossener oder offener Ladefläche. Zu beiden Modellen gibt es gegen Aufpreis ein Zusatzpaket zur Ladegutsicherung und -überwachung. Bei den Analysen der Verkaufszahlen wird aus nachvollziehbaren Gründen zwischen Außergebirg und Innergebirg unterschieden (s. dazu die obige Tabelle).

Bei einer internen Schulung der Vertriebsmitarbeiter präsentiert die Leiterin der Abteilung Marketing und Vertrieb aktuelle Zahlen. Im Außergebirg und im Innergebirg wurden jeweils 5.000 Exemplare des Pick-ups verkauft (so ein Zufall, der uns das Kopfrechnen erleichtert!). Zur großen Überraschung der Marketingverantwortlichen hat im Innergebirg mit 68% ein deutlich größerer Anteil das Zusatzpaket gekauft als im Außergebirg mit nur 45%. Daher wurde für die Vertriebsmitarbeiter ein Gesprächsleitfaden entwickelt, der vorrangig Argumente für das Zusatzpaket im Einsatz des Pick-ups im städtischen bzw. im flacheren ländlichen Gebiet, also im Außergebirg, aufgreift.

Dann meldet sich der Produktmanager zu Wort und unterstellt der Abteilung Marketing und Vertrieb, einen Fehler bei der Datenanalyse gemacht zu haben. Seine Daten zeigen, dass zum geschlossenen Modell im Innergebirg nur 20% das Zusatzpaket gekauft haben, im Außergebirg aber 40%. Und zum offenen Modell haben im Innergebirg 80% das Zusatzpaket gekauft, im Außergebirg aber 90%. Bei beiden Modellen liegt der Anteil derjenigen mit gekauftem Zusatzpaket im Innergebirg also unter dem Anteil im Außergebirg; und nicht, wie von der Marketingverantwortlichen behauptet darüber! Dann kann sich seiner Meinung nach bei einer Gesamtbetrachtung das Verhältnis der Anteile doch nicht umdrehen. Daher machen für ihn die präsentierten Argumente für die Verkaufsgespräche keinen Sinn.

Des Rätsels Lösung: Simpsons Paradoxon

Simpsons Paradoxon ist ein bekanntes Phänomen in der Statistik, benannt nach dem britischen Statistiker Edward Hugh Simpson. Dabei kehrt sich ein in getrennten Gruppen zu beobachtender Trend um, wenn die Gruppen kombiniert werden. Dieses Paradoxon tritt relativ häufig auf und kann zu gravierenden Fehlinterpretationen führen, wenn es nicht erkannt wird.

Beim obigen Beispiel zeigen sich zwischen den Zielgruppen Außergebirg und Innergebirg stark unterschiedliche Modellpräferenzen: Im Außergebirg wird eher das geschlossene Modell gekauft, im Innergebirg eher das offene. Gleichzeitig gibt es je nach Modell eine stark unterschiedliche Bereitschaft, das Zusatzpaket zu kaufen: Beim Modell mit offener Ladefläche ist sie verständlicherweise stärker ausgeprägt. Daraus ergibt sich im Innergebirg ein großer Anteil des offenen Modells mit Zusatzpaket. Und damit kommt es zum beschriebenen Effekt, der dazu führt, dass sowohl die Marketingverantwortliche als auch der Produktmanager korrekte Zahlen präsentiert haben - auch, wenn sich dabei das Verhältnis der relativen Anteile in gegenteiliger Richtung darstellt. Als Konsequenz daraus wurde das Argumentarium für die Vertriebsmitarbeiter in der Folge zielgruppenspezifisch nach Modellen und nach Regionen gestaltet (Anm.: Bei einer 2x2-Matrix geht das noch ...).

Das Wissen um Simpsons Paradoxon unterstreicht die Wichtigkeit, die Daten immer im richtigen Kontext zu betrachten und zu analysieren. Durch das Aggregieren bzw. Disaggregieren von Daten ohne fachliche (hypothesengestützte) Begründung können irreführende Ergebnisse entstehen. Dass die Schlussfolgerungen dann nicht optimal passen, ist häufig eine Folge einer unzulässigen Spezifikation; also einer Übertragung von Gesamtergebnissen auf eine bestimmte Teilgruppe (Zielgruppe) davon - für die sie aber nicht unbedingt passen müssen. Genauso problematisch ist der gegenteilige Effekt der unzulässigen Verallgemeinerung (in diesem Fall bei der Ergebnisinterpretation); also einer Übertragung von Ergebnissen zu einer bestimmten Teilgruppe (Zielgruppe) auf die Gesamtmenge (zum Beispiel aller Kunden etc.) - für die sie aber auch in diesem Fall nicht unbedingt passen müssen.

Es ist daher unabdingbar, auch bei der DIY-Marktforschung mit den Grundlagen der Datenanalyse bzw. der Statistik vertraut zu sein, um solche Fallstricke und damit suboptimale Schlussfolgerungen zu vermeiden.


Einfach zum Nachdenken

Welche Entscheidung würden Sie in der im Folgenden beschriebenen Situation (ein klassisches Dilemma) treffen?

Ein Tourismusunternehmen steht vor der Entscheidung darüber, in welchen Herkunftsländern die zwei definierten Zielgruppen (Wanderer und Mountainbiker) angesprochen werden sollen. Ein zentrales Kriterium dafür bildet die Höhe der Ausgaben vor Ort. Dafür werden sowohl die Ausgaben der Wanderer nach Ländern absteigend sortiert als auch die Ausgaben der Mountainbiker und darüber hinaus die Ausgaben beider Gruppen gemeinsam. Durch das verfügbare Marketingbudget limitiert sollen so die Top-5-Herkunftsländer identifiziert und in der Folge bearbeitet werden.

Wie es der Zufall so will, steht sowohl bei den Wanderern als auch bei den Mountainbikern die Schweiz an fünfter Stelle, noch vor Italien, das bei beiden Gruppen den sechsten Platz einnimmt. Nach dieser getrennten Betrachtung der Zielgruppen sollte die Schweiz in die Marketingaktivitäten aufgenommen werden.
Aber: Fasst man beide Gruppen zusammen, dann liegt bei den durchschnittlichen Ausgaben der Wanderer und der Mountainbiker die Schweiz an sechster Stelle und Italien rückt an die fünfte Stelle vor. Damit würde Italien ein zu bearbeitender Markt sein und die Schweiz nicht.
Dieses Beispiel von Simsons Paradoxon führt unweigerlich zu der Frage: Was tun?

Mathematik

Und wenn Sie sich weniger aus der Sicht des Marketings und mehr aus der Sicht der Mathematik für dieses Beispiel interessieren: Entwickeln Sie (mit fiktiven, aber zueinander passenden Zahlen) eine Tabelle, die genau dieses Paradoxon zum Ausdruck bringt.
 

Hinweise

  • Hinweise zum „Einfach zum Nachdenken“ finden Sie in unserem Download-Bereich.
  • Den Fehler der unzulässigen Verallgemeinerung gibt es auch bei der Datenerhebung (s. dazu den Beitrag „Auswahl der Befragten. Offene Befragung“) und bei der Ergebniskommunikation (s. dazu den Beitrag „Ergebniskommunikation. Unzulässige Verallgemeinerung“).
  • Tipp: Angemeldete Nutzer finden zu möglichen Fallstricken bei der Datenanalyse und -interpretation im KE-Learning-Kurs Datenanalyse 9: Achtung: Daten! weiterführende Informationen.
  • Interaktion: Wir freuen uns sehr, wenn Sie zu diesem Thema bei unserem LinkedIn-Beitrag oder im TP-Blog mitdiskutieren!

Ergebniskommunikation Titel als Aufmerksamkeitserreger

Vielleicht haben Sie den folgenden Titel einer Presseaussendung eines App-Anbieters so oder so ähnlich vor kurzem auch gelesen: „80% der Pilgernden verwenden die App 概括“. Stark verwundert, aber interessiert (hier könnte sich ja ein potentieller Partner in der Erforschung der Pilgerströme anbieten) habe ich in der Aussendung weitergelesen. Und dabei hat sich sehr schnell Ernüchterung eingestellt.
Zitiert wird eine Umfrage, der zufolge 56% der Pilgernden aus Deutschland als Hilfe bei der Orientierung am Pilgerweg auf Apps zurückgreifen. Und 80% von ihnen nutzen die angesprochene App. Also müsste der Titel der Presseaussendung eigentlich lauten: „45% der deutschen Pilgernden verwenden die App 概括“. Und selbst das ist noch nicht korrekt, stellt der als Quelle herangezogene Bericht doch klar, dass die Stichprobe nicht repräsentativ ist: Geantwortet haben überdurchschnittlich viele sehr erfahrene Pilger (es liegt also eine Stichprobenverzerrung, ein Auswahlbias vor).

Unzulässige Verallgemeinerung

Der Fehler der unzulässigen Verallgemeinerung tritt in diesem Fall gleich doppelt auf. Erstens werden Ergebnisse einer Teilstichprobe (der sehr erfahrenen Pilger, die eine App verwenden) auf die Gesamtstichprobe (alle sehr erfahrenen Pilger) übertragen. Und zweitens werden Ergebnisse einer Stichprobe, die nur einen Teil der Grundgesamtheit abbildet (sehr erfahrene Pilger), für die Grundgesamtheit aller Pilger behauptet.

Tipp

Widerstehen Sie der Versuchung, im Bemühen um einen kurzen und möglichst spektakulären Titel seine inhaltliche Richtigkeit zu opfern.

 

Hinweise

  • Weitere Beispiele der unzulässigen Verallgemeinerung finden Sie in den Beiträgen „Auswahl der Befragten. Offene Befragung“ und „Simpsons Paradoxon“ (Ergebnisinterpretation). Zur Stichprobenverzerrung im Allgemeinen und zum Unit-Non-Response-Bias im Speziellen siehe auch die Beiträge „Auswahl der Befragten. Einladung über verfügbare E-Mail-Adressen“ sowie „Auswahl der Befragten. Offene Befragung“.
  • Tipp: Angemeldete Nutzer finden zur Ergebnisaufbereitung und Gestaltung von Berichten im KE-Learning-Kurs Berichtsgestaltung weiterführende Informationen.
  • Interaktion: Wir freuen uns sehr, wenn Sie zu diesem Thema bei unserem LinkedIn-Beitrag oder im TP-Blog mitdiskutieren!